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Die Zauberformel

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Was ich mich immer gefragt habe: Wie kann es sein, dass Island in Rankings aller Art immer ganz oben landet?  Einer der bekanntesten Autoren Islands,  Þórarinn Eldjárn, hat darüber ein ganzes Buch geschrieben. Hier erfahren wir, wie die Isländer dank einer Zauberformel mit Abstand das kulturellste Volk auf der Welt sind, und sogar über die höchste Dichte an Literaturnobelpreisträgern verfügen.  Eine Leseprobe daraus hat uns der Verlag CONTE zur Verfügung gestellt:

Die Zauberformel

Autor: Þórarinn Eldjárn

Þórarinn Eldjárn, Foto: Kristinn Ingvarsson

Þórarinn Eldjárn, Foto: Kristinn Ingvarsson

Zwangsläufig wird eine Nation, deren Einwohnerzahl verschwindend gering ist, in einer großen und unsicheren Welt unter lauter Riesen, die nicht immer gut genug achtgeben, wo sie hintreten, ständig in der Defensive sein müssen. Wenn eine solche Nation danach strebt, sich Prestige zu verschaffen, kann es unter Umständen problematisch sein, dafür die richtigen Strategien zu finden. Angesichts der geringen Bevölkerungszahl sind naturgemäß die Möglichkeiten eingeschränkt. Aber wie so oft verspricht es hier wahrscheinlich den größten Erfolg, den Spieß umzudrehen und aus der Not eine Tugend zu machen.

Wir fragen: Wovon haben wir genug? Und die Antwort wird sein: Wir haben genug von nichts, von nichtvorhandener Bevölkerung. So und nicht anders fanden zumindest die Isländer ihre Zauberformel, die sich für sie bestens bewährt hat, um erhobenen Hauptes innerhalb der Völkergemeinschaft dastehen zu können, ja sogar um ganz einfach die größten, die hervorragendsten und die besten auf allen nur erdenklichen Gebieten zu sein.

Aber was für ein Elixier konnte den solche Wunder an einer Nation vollbringen, die so mikroskopisch klein ist, dass das ganze Jahr hindurch tagtäglich das Doppelte ihrer Bevölkerung den Flughafen Heathrow in London passiert?

Nun, man nennt es das Pro-Kopf-Prinzip, und die Zauberformel selbst verbirgt sich hinter den wohlbekannten Worten, die alle isländischen Kinder schon mit der Muttermilch in sich aufsaugen: Gemessen an der Bevölkerungszahl.

Dieser ziemlich abgedroschene Spruch macht auf den ersten Blick nicht gerade viel her, aber mit seiner Hilfe ist es den Isländern gelungen, sich auf internationaler Ebene zu Rang und Namen aufzuschwingen. Ihm ist es einerseits zu verdanken, dass die Isländer in all den Sportarten, die überhaupt in diesem Lande ausgeübt werden, unumstritten an der Weltspitze stehen, und andererseits, dass sie mit Abstand das kulturellste Volk auf der Welt sind, die literarisch, musikalisch und künstlerisch Interessiertesten von allen, um nur etwas zu nennen.

Es lässt sich leicht an einigen Beispielen darstellen, wie diese Formel in der Realität wirkt. Man kann beispielsweise zunächst einmal Schach unter die Lupe nehmen, das königliche Spiel, an das die Isländer seit langem ihr Herz und ihren Ehrgeiz gehängt haben. Weithin wird die Tatsache akzeptiert, dass die Russen im Schach uneingeschränkt an der Spitze stehen. Dem ist aber durchaus nicht so, denn gemessen an der Bevölkerungszahl rangieren die Isländer vor ihnen. Wir haben ganze sechs Großmeister im Schach. Wenn beispielsweise Deutsche oder Briten hier mit uns auf gleichem Fuß stehen wollten, müssten diese Nationen jede für sich genommen grob geschätzt 1400 Großmeister besitzen, anstatt der armseligen zwölf oder dreizehn, mit denen sie sich jeweils zurzeit begnügen müssen. Und was nun die Russen selbst angeht, sie müssten es auf nicht mehr und nicht weniger als rund 6000 Großmeister bringen, was einen nicht geringen Zuwachs zu den lächerlichen sechsundachtzig Figuren oder so bedeutet, die diesen Titel im Augenblick vor sich herschwenken können.

Im Kulturbereich gilt dasselbe: Wir Isländer besitzen zusammengerechnet einen Nobelpreisträger in Literatur. Manch einer wird vielleicht jetzt sagen, dass es wohl kaum weniger sein könnten, aber wenn man die Zauberformel gemessen an der Bevölkerungszahl auf diesen unseren Nobeldichter angewendet hat, kommen interessante Tatsachen ans Licht: Um eine vergleichbare Größenordnung in der Literatur zu erreichen, müssten die Amerikaner etwa 1000 Literaturpreisliteraten aufweisen können, rund zehnmal mehr, als dieser Preis überhaupt bis heute verliehen wurde.

Auszug aus dem Buch „Die glücklichste Nation unter der Sonne“, Þórarinn Eldjárn, CONTE Verlag. Aus dem Isländischen von Coletta Bürling

… Ich hoffe, der Auszug hat Lust gemacht auf Mehr. Vielleicht hat ja jemand sogar Lust bekommen, das Buch zu rezensieren auf Facebook oder in einem Blog – und damit an unserem Gewinnspiel teilzunehmen?


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